Bericht zur Transgermany im Juni 2010

von  Martin Grafmüller:

Es hat einige Wochen gedauert, bis ich mich aufraffen konnte, diesen Bericht zu schreiben. Die Wunden waren noch zu frisch…..,  aber nun der Reihe nach.

Vier Etappen über 286 km mit 7200 hm  von Garmisch nach Bregenz waren zu bewältigen. Ich hatte Gelegenheit,  schon am Sonntag anzureisen und bis zum Start am Mittwoch  bei  Freunden zu verbringen.  Am Dienstag habe ich den letzten Materialcheck durchgeführt und mich warmgefahren bei  leichtem Regen.  Ein fahren abseits der Straße war nicht angezeigt,  sichtbar  verschlammte  Wege verhießen nichts  Gutes für die kommenden Tage.

1. Etappe  Garmisch-Lermoos über 81km/2154hm mit zwei Gipfeln mit 1600 m Höhe


Am Vorabend bei der Pastaparty wurden wir offiziell hingewiesen auf die schlechte Wetterlage „ Dauerregen und auf den Gipfeln eine Temperatur von 4 bis 6 grd C.“, wetterfeste Kleidung und die Mitnahme einer Notfallrettungsdecke wurden zwingend  vorgeschrieben.  Die Aufstellung in den   Startblöcken   verlief im Regen,  die meisten haben ihr MTB im Startblock hingestellt bzw. abgelegt und haben Schutz vor oder in den Geschäften bis kurz vor dem Start  gesucht.   Dieser erfolgte pünktlich und endlich ging´s los, ein Troß mit über 1200 Teilnehmer setzte sich relativ reibungslos in Bewegung.  Leider konnte ich meine Fangemeinde beim Start nicht erblicken,  Schirme und bunte Regencapes bestimmten das wässrige  Bild durch meine Schutzbrille.  Kaum richtig warmgefahren, kam direkt ausserhalb von Garmisch die erste Warte-und  Schiebepassage, eigentlich wäre dies noch zu fahren gewesen,  aber nicht bei  1200 Teilnehmern. Ich tröstete mich damit,  daß  dies nur ein Anlaufproblem ist- leider lag ich damit falsch.

Der weitere Verlauf war ein Kampf gegen die schlechten Witterungsbedingungen und die damit verbundenen Einschränkungen wie keine gute Sicht durch schlammverspritzte Brille,  keine Genußabfahrten und das Schlimmste „Frieren, frieren und nochmals frieren“ trotz entsprechender Kleidung.  An den Verpflegungsstellen gab´s keine warmen Getränke,  ansonsten war das Angebot mit frischem Obst, Energieriegeln, Kuchen usw. einwandfrei .  Irgendwann traf ich auf meine beiden Berliner Mannschaftskameraden Heinz und Max, mit denen wir Odenwälder  (Rainer und ich) als Viererteam für  die “ Eichhörnchen Berlin“  fuhren.  Ca. 25 km fuhren wir gemeinsam,  bis wir uns im Stau infolge eines Rettungshubschraubereinsatzes und einer anschließenden zunächst unverständlichen Kontrolle mittels  Fotografieren der Startnummern wieder verloren haben.   Irgendjemand hat von einer Zeitgutschrift gesprochen, aber diese war mir egal, ich habe da schon gefroren und wollte nur noch ohne Unterbrechung  weiterradeln ins ersehnte Ziel -  gleichgesetzt mit „Wärme“!  Besonders tragisch für mich war der Zieleinlauf, komplett  durchnäßt und zitternd vor Kälte gab´s nichts zum Aufwärmen, alles war im Freien und meine Pension war in Bichlbach (ca. 10 km von Lermoos entfernt), was nicht im Shuttleverbund berücksichtigt war. Ich habe länger als 1,5 h auf das Taxi warten müssen.  Noch unter der warmen Dusche habe ich vor Kälte gezittert, diese  ging mir tatsächlich bis  in die Knochen. Ein heißer Kamillentee von der Wirtin und eine Forelle mit gekochten Kartoffeln im benachbarten Restaurant und ausgiebige Nachtruhe haben mich wieder hergestellt.   Keine „zehn Pferde“  hätten mich an diesem Abend zurück nach Lermoos zur Pastaparty gebracht!

2. Etappe Lermoos-Pfronten  75 km/1863 hm

Vor dem Frühstück habe ich zunächst meine Kleidung und den Rucksack  aus dem Heizraum geholt und draußen mit der Wurzelbürste grob gereinigt .  Ein sehr freundliches junges Paar hat mich rechtzeitig mitgenommen nach Lermoos .  Auf dem Hinweg sah ich schon die Bescherung des schlechten Wetters,  überschwemmte Wiesen und Radwege.  Gleich vorweg: Es regnete in der Etappe nicht mehr von oben, sondern von unten.   In Lermoos angekommen, holte  ich mein Bike im „Parc ferme“  ab und habe sogleich die Funktionskomponenten geputzt,  inspiziert und geschmiert. Der Putzlappen ging in den Mülleimer,  das Schmiermittel in den Rucksack . Es war nicht einfach, den richtigen Startblock zu finden. Ich habe von hinten angefangen und war angenehm überrascht im Block  C zu sein und nicht im Letzten. Mit gemischten Gefühlen bin ich nach dem Startschuß in die Pedale getreten.  Die erste Dusche habe ich noch im Ort erhalten, die Feuerwehr hat einen Keller ausgepumpt und das Wasser auf die Straße geleitet.  Das war nur ein Vorspiel:  Die Fahrt ging über die oben geschilderten überschwemmten Radwege,  danach ins Gelände  über unzählige rauschende Sturzbäche-  der erste  hat noch Überwindung gekostet, kleiner Gang einlegen und mit Volldampf durchtreten, danach hat es wider Erwarten Spaß gemacht.

Die zögerlichen Sportsfreunde gingen meistens baden,  einen  hätte es fast das Tal hinuntergespült…  An den Verpflegungsstellen  gab es diesmal warme Getränke, was zuversichtlich stimmte.  Das Wetter war dauerhaft bewölkt, und die Sicht entsprechend schlecht.  Emotionslos beendete ich diese Etappe. Die Pastaparty  in Pfronten, die Ansage auf gutes Wetter im  weiteren Verlauf der nächsten Tage und die beste Versorgung im Gästehaus (Reinigung und Trocknung der Wäsche,  Heizraum) hoben immens meine Stimmung.

3. Etappe Pfronten-Sonthofen 55km/1830hm

Nach dem Start sah ich unter den Zuschauern meinen Sportkameraden Heinz, der leider nach einem Sturz am Vortag  vom Rennarzt ein Startverbot erhielt ( im Nachhinein stellte sich das bei  weiterer ärztlicher  Untersuchung als korrekte und einzig richtige  Entscheidung heraus- trotz aller Willensstärke- die Vernunft muß siegen!)

Von jetzt an ging´s bergauf, in jeglicher Hinsicht.  Endlich schönstes Wetter,  Alpenpanorama pur,  Kühe auf dem Weg,  Superflows bei den Abfahrten….ich habe glatt vergessen,  daß  ich Teilnehmer  an einem MTB-Rennen bin.   Die gefahrene Zeit bedarf hier keiner weiteren Erwähnung.  Im Ziel angekommen bin ich umgehend ins Raceoffice gegangen, um nach einer Unterkunft zu fragen, da ich die Telefon-Nr. der Reservierung verlegt und keine Bestätigung erhalten habe.  Mit Verweis auf das direkt benachbarte Touristenbüro und der Verladestelle des Gepäcks hat dies reibungslos  funktioniert-  hier zeigte sich die Professionalität und das Engagement der Veranstalter.   Im ca. 2 km entfernten Übernachtungsort Altstädten  bin ich in einem zünftigen Biergarten hängengeblieben, nach drei  alkoholfreien Bieren , einer Rinderbrühe plus Fischmahlzeit, einem kleinen Spaziergang im Ort bin ich zufrieden eingeschlafen.

4. Etappe Sonthofen-Bregenz 75 km/ 1355 hm

Zur letzten Etappe bin ich angetreten mit dem festen Willen einen „Endspurt“ hinzulegen, ich war unheimlich gut aufgelegt.   Es ging den Riedbergpass hinauf schön an der aerob/anaeroben Grenze, danach ging´s in die Abfahrt im Windschatten unter Gleichgesinnten- einfach herrlich.  Direkt nach der zweiten Verpflegungsstelle ca. 12 km vor dem Ziel kam ein schwerer Dämpfer-  ca. 25 unendlich lange Minuten  Schlangestehen, stop and go durch einen Engpaß,  der anfängliche Humor kippte in Enttäuschung und Wut um.  Das Ziel schon in Reichweite, die  Beine noch voller Kraft und dann sowas!  Nur gut, daß wir wieder in der technisch relativ anspruchsvollen Schlußabfahrt mit einigen Wurzeltrails  und in Bregenz am Bodenseeufer entlang wieder ordentlich Tritt fassen konnten.   Die Stimmung beim  Zieleinlauf  und das Ambiente im Festivalgelände war einfach bombastisch, getoppt durch das Festmahl und die Finisherparty.


Fazit:

Techn. Ausrüstung  an meinem Fully Specialized Epic Expert wie Scheibenbremsen , Maxxisreifen vorne Larsen TT , hinten Aspen,  Schmiermittel auf Wachsbasis von Squirt , die TiN-beschichtete goldfarbene  Kette von KMC waren i.O.  (kein Ausfall oder Reparatur während der 4 Etappen wegen einer techn. Panne!)

Bei einem durchschnittlich 10 stündigem Trainingsaufwand pro Woche(inkl. Gymnastik, laufen, wandern) bin ich mit dem 67. Platz zufrieden.

Das „erfahrene“  Wissen und Können verbunden mit den positiv  als auch negativ eingeprägten Bildern gibt mir die Zuversicht in den kommenden Jahren wieder Mehretappenfahrten in Angriff zu nehmen und auch diese durchzustehen.

Trotzdem blieb ein Wermutstropfen zurück:

In meiner Altersklasse sind von 121 gestarteten Teilnehmern exakt 100 angekommen, das ist eine deutlich  höhere Ausfallquote als in den vergangenen Jahren.  Die Beanspruchung in den Alpen an Mensch und Material gerade bei schlechtem Wetter darf zu keiner Zeit unterschätzt werden.   An dieser Stelle wünsche ich den in Bregenz  Nichtangekommenen  eine ganzheitliche Genesung und weiterhin  viel Freude am MTB-Sport.